Wenn Igel träumen ...
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Wenn Igel träumen ...
 


Eine Elfengeschichte von kellergoethe. Die Rechte liegen beim Autor. Jegliche Veröffentlichung und Vervielfätigung bedarf der vorherigen Genehmigung.


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Teil 3

Elfenzeichnung von Pia H. "Nicht ganz, mein Freund, nicht ganz", erwiderte Sasana geduldig. "Dir mag ja mit einem Schlag klar geworden sein, was da in der Aue vor sich ging und dass es nicht gefährlich ist. Mir ist das aber noch ganz und gar nicht klar. Warum bist du denn so davon überzeugt, dass die Aufregung völlig vergebens und die Ereignisse ganz harmlos sind?"
"Oh", staunte der Igel, "habe ich das etwa nicht gesagt?"
"Nein", schnaubte Kandar, "diese unwichtige Kleinigkeit hast du nicht erzählt".
"Verzeiht, das Alter spielt mir manchmal einen Streich. Ich hatte fest angenommen, alles gesagt zu haben." Der Igel verstummte wieder.
"Na? – Und?" Das Auffordernde in Kandars Stimme wurde unüberhörbar.
"Ja, also – habt ihr noch nie von der Einen unter Tausenden gehört?" Die Frage des Igels klang sehr erstaunt.
"Es mag unter den Igeln eine weit verbreitete Kenntnis sein", sagte Sasana, "doch ich kann damit nichts anfangen. Was also hat es mit der Einen unter Tausenden auf sich?"
"Wir Igel sind in aller Regel ganz gewöhnliche Tiere. Wir leben unser ruhiges Leben, so, wie Mutter Natur es für uns vorgesehen hat. Aber manchmal – und zwar äußerst selten – eben einmal unter Tausenden – da hat Mutter Natur für einen von uns Besonderes vorgesehen. Sie gibt ihm Gaben, die sonst kein Tier hat. Darum ist ein solcher Einer unter Tausenden ein hoch angesehener Igel."
Wieder verstummte der alte Igel.
Sasana hatte aber noch Fragen an ihn.
"Welche Gaben sind das denn, die Mutter Natur diesem Einen gibt? Und was hat das mit dem Tanzen der Erle und dem Singen der Steine zu tun?"
"Die Gaben können sehr unterschiedlich sein", erwiderte der Igel. "Manchmal ist dieser Eine in der Lage, in die Zukunft zu sehen, manchmal vermag er allein durch seine Anwesenheit jeglichen Streit zu schlichten, ein anderes Mal ist es eine besondere Weisheit, die ihm gegeben wird – das ist immer unterschiedlich. Allen gemeinsam aber ist, dass sie die Gaben immer im Laufe einer Winterruhe erhalten haben. Sie begeben sich noch als ganz normale Igel in ihre Winterruhe und tauchen im Frühling als der Eine unter Tausenden daraus auf. Und das Wunder der Entfaltung kündigt sich auch immer auf die gleiche Weise an. Vor der Winterruhe, in der die Verwandlung vor sich geht, erfüllen sich einige der Träume dieser Igel und werden wahr. Das können dann natürlich ziemlich haarsträubende und unglaubliche Ereignisse sein. Sie sind ja schließlich auch erträumt. An ihnen kann man jedenfalls erkennen, dass es im nächsten Frühjahr einen neuen Einer unter Tausenden geben wird."

"Du meinst, ein Igel hat davon geträumt, dass die Erle tanzt, und dann hat sie deshalb auch zu tanzen begonnen?" Sasana konnte es kaum glauben.
"Genau", sagte der alte Igel erleichtert. "Du hast es also verstanden. Die Igelin, von der Frau Haselmaus mir berichtete, muß es sein – sie steht ganz sicher vor der Verwandlung. Igel kommen tatsächlich nicht auf die Idee, sich auf einen Laubhaufen drauf zu legen und noch dazu bei Tageshelle, sie verstecken sich vielmehr in dem Laubhaufen. Wenn also eine Igelin sich so ungewöhnlich verhält und dann noch Erlen zu tanzen und Steine zu singen beginnen, dann könnt ihr darauf wetten, dass sie sich auf eine Winterruhe vorbereitet, die die Verwandlung bringt."

Sasana überlegte sehr lange. Also hatte sie die von Padin gemurmelten Worte über den Einen unter Tausenden doch richtig verstanden. An der Geschichte des Igels mußte etwas dran sein. Doch so ungefährlich, wie er es glaubte, war das mit den wahr werdenden Träumen ja nicht. Es war immerhin reines Glück, dass bei dem dröhnenden Tanz der Erle niemand zu Schaden gekommen war. Wovon würde die Igelin noch träumen?
Und obwohl die Elfe noch überhaupt nicht wußte, was sie wirklich tun könnte, faßte sie den Entschluß, nun so schnell es nur ging wieder die Erlenbachaue zu erreichen und dort nach der Igelin zu suchen.

"Kommt!" rief sie den beiden Tieren zu. "Wir müßen diese Igelin finden und mit ihr reden. Bei dem, was sie so zusammenträumt, kann durchaus jemand zu Schaden kommen. Es muß etwas geschehen. Ich weiß zwar noch nicht, was das sein könnte – aber es muß etwas geschehen."
"Ich gehe keinen Schritt mehr", sagte der alte Igel. "Ich bin noch immer ganz schlapp und muß mich ausruhen."
"Dann nehme ich dich eben auf den Arm", sagte Sasana kurz entschlossen, "und Kandar trägt uns beide. Du mußt jedenfalls mit. Das macht dir doch nichts aus, Kandar?"
Das Wildpferd schüttelte den Kopf. "Nimm ihn nur ruhig mit – so lange du ihn auf dem Arm trägst und mir seine Stacheln vom Leib hältst, ist das schon in Ordnung."
"Dann ist es so abgemacht", entschied Sasana. Sie beugte sich zu dem Igel hinunter und nahm ihn vorsichtig mit beiden Händen vom Boden auf. Sie schwebte in die Höhe und nahm auf dem Rücken des Wildpferdes Platz.
Nun wußte sie aber nicht, wie sie sich an Kandar festhalten sollte, da sie beide Hände benötigte, um den Igel zu tragen. Doch dann hatte sie die richtige Idee.
"Rollst du dich bitte so ein, dass ich dich in einer Hand tragen kann? Dann kann ich mich mit der anderen Hand an Kandars Mähne festhalten."
Der alte Igel tat ihr den Gefallen und rollte sich zu einer stacheligen Kugel zusammen, die die Elfe nun bequem mit einer Hand an ihre Brust gedrückt halten konnte.
Nachdem dies geklärt war, setzte Kandar sich in Bewegung und trabte auf die Erlenbachaue zu.

Zeichnung von Hanne H. Als sie ihrem Ziel näher kamen, begann die Erde wieder zu zittern und zu beben und nur kurze Zeit später setzte auch das Gebrumm der Steine wieder ein.
"Oh!" rief Sasana, "sie träumt wieder. Hoffentlich lässt sie sich dabei nichts Neues und Gefährlicheres einfallen."
Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, da sah sie auch schon den Erlenzeisig, der ihnen aufgeregt entgegen flog. "Schnell, Sasana, schnell!" rief er, "die Igelin ist in Gefahr. Nun fängt das Laub auch noch an zu fliegen!"
"Wo ist sie?" rief die Elfe zurück. "Kannst du uns zu ihr führen?"
"Klar, das kann ich", antwortete der Erlenzeisig und flog auch schon einen Bogen, um wieder umzukehren und dem Wildpferd den Weg zu zeigen.

Als sie in die Nähe des Hanges kamen, der zum Bach hinunter führte, sah Sasana auch, was der Erlenzeisig mit seiner Bemerkung über fliegendes Laub gemeint hatte.
Hoch in der Luft zogen Laubhaufen wie Wolken am Himmel daher.
"Merkwürdige Träume hat sie", schnaubte Kandar. "Wie kann man nur auf solche Ideen kommen?"
"Das ist doch jetzt überhaupt nicht wichtig", entgegnete Sasana. "Viel wichtiger ist die Frage, wo diese Igelin jetzt ist. Halt bitte an Kandar."
Das Pferd blieb stehen, die Elfe hüpfte von seinem Rücken und schwebte sofort wieder ein Stück in die Höhe, um nicht auf dem zitternden und bebenden Erdboden stehen zu müssen. Sie nahm ihre zweite Hand zu Hilfe, so dass der alte Igel sich wieder in ihren Händen entrollen konnte.
"Wo ist die Igelin?" rief sie dem Erlenzeisig fragend zu, der die kleine Dreiergruppe umkreiste.
"Na, da oben, auf einer dieser Laubwolken", antwortete der Zeisig. "Sie schläft und weiß nichts von der Gefahr, in der sie sich befindet."
"Oh je", stieß Sasana hervor. "Hoffentlich fällt sie da nicht herunter. Ich glaube, ich versuche mal die Wolke schwebend zu erreichen und sie herunter zu holen. Ich weiß aber nicht, ob ich überhaupt so hoch schweben kann – ich habe es jedenfalls noch nie in solcher Höhe tun müssen."

"Laß es auch lieber sein", meinte der alte Igel. "Du weckst sie sonst womöglich noch auf, und wer weiß, was dann passiert. Laß den Dingen lieber für jetzt einmal ihren Lauf. Es ist ihr Traum, und sie wird sich schon wieder auf den Boden zurück träumen. All denen, die vor ihr das Wunder der Verwandlung erlebten, ist auch noch nie etwas Gefährliches geschehen. Das wird schon gut gehen."
Die Elfe sah den Igel zweifelnd an. "Ich hoffe, dass es so sein wird. Ich hoffe es sehr."

So warteten Kandar, der alte Igel, der Erlenzeisig und Sasana schlicht und einfach darauf, dass der Traum der Igelin enden würde.
Tatsächlich – wie zuvor schon erlebt, wurde der Tanz der Erle ruhiger und der Gesang der Steine leiser. Auch die Laubwolken näherten sich ganz langsam und sacht dem Erdboden. Als der letzte Stampfer des Baumes und der letzte Brummer der Steine getan waren, setzten auch die Laubwolken sanft wieder auf der Erde auf.

Und mitten auf einem dieser Laubhaufen ganz in der Nähe der kleinen Gruppe lag eine Igelin.

Sasana schwebte auf diesen Laubhaufen zu und setzte den alten Igel auf dem Boden ab. Dieser lief nun auf das Laub zu und kletterte auf den Haufen hinauf. Ganz vorsichtig stieß er mit der Nase seine Artgenossin an, um sie nur ja nicht zu unsanft zu wecken.
Diese räkelte sich etwas, gab wohlige Töne von sich und öffnete dann die Augen.
"Oh, hallo", sagte sie noch etwas verschlafen. "Wo kommst du denn her?"
"Hallo, Schwester", entgegnete der Alte. "Sasana, die Elfe, hat mich zu dir gebracht. Und wenn du die Augen noch etwas weiter öffnest, dann kannst du sie auch selbst begrüßen."

Die Igelin richtete sich überrascht auf und blickte sich um. Sie staunte nicht schlecht, als sie neben dem alten Igel auch noch die Elfe, das Wildpferd und den Erlenzeisig sah.
"Was ist denn los? Ist etwas geschehen? Warum seht ihr mich alle so seltsam an?"
Sasana lachte. "Ja, es ist durchaus etwas geschehen. Und alle Welt – außer dir – scheint es zu wissen. Aber das ist ja auch kein Wunder – du hast ja geschlafen."
"Stimmt", sagte die Igelin etwas verschämt. "Ich habe geschlafen und geträumt, so herrlich geträumt. Ich bin wie eine Wolke am Himmel dahin geschwebt und habe dem Tanz der Bäume zugesehen und dem Gesang der Steine gelauscht. Es war so schön – mmmmmmhhhhh."
"Nur gut, dass du nicht das Laub hast singen und die Steine schweben lassen", schnaubte Kandar. "Wer weiß, was sonst passiert wäre."

Und dann erzählten Sasana und der alte Igel der verschlafenen Igelin sehr behutsam, was sich während ihres Schlafes zugetragen hatte.
Sie konnte es kaum glauben, dass sie die Eine unter Tausenden sein sollte.
"Ich bin doch einfach nur eine Igelin", sagte sie immer wieder.
"Ja, das bist du noch", antwortete der alte Igel. "Aber nach dieser Winterruhe reden wir dann weiter."
"Wichtig ist aber, dass du versuchst, nicht mehr gar so gefährliche Träume zu träumen", sagte Sasana. "Glaubst du, dass du das schaffst?"
"Gefährlich? Meine Träume sind doch nicht gefährlich", meinte die Igelin.
"Jedenfalls nicht, wenn sie ihre Träume in Ruhe zu Ende träumen kann", ergänzte der alte Igel.

Zeichnung von Hanne H. "Gut", entschied Sasana, "dann müssen wir genau dafür sorgen. Wir erzählen allen Tieren, die bei der Silberlinde Zuflucht gesucht haben, wie die Sache hier in der Erlenbachaue steht und bitten sie, diesen Winter in anderen Teilen des Tales zu verbringen. So kannst du in aller Ruhe träumen, ohne jemanden in Gefahr zu bringen."
"Und ich bau mein Nest ganz in deiner Nähe, damit ich etwas auf dich aufpassen kann, während du schläfst", ergänzte der alte Igel.

Der Erlenzeisig und die Haselmäuse wollten die Erlenbachaue ebenfalls nicht verlassen. Sie sahen nun wirklich keinerlei Gefahr mehr – und im Vertrauen gesagt: sie waren schon sehr gespannt, welche unglaublichen Dinge die Igelin noch erträumen würde.
Kandar und Sasana aber kehrten zur Silberlinde zurück, berichteten dort von den Ereignissen in der Erlenbachaue und beruhigten so alle Tiere.
Einige von ihnen kehrten dann tatsächlich noch vor dem Winter zur Aue zurück. Andere entschieden, den Winter lieber bei Verwandten in anderen Teilen des Tales zu verbringen.

Du willst wissen, was die Igelin noch an Unglaublichem erträumte? Und welche Gaben Mutter Natur für sie für die Zeit nach der Winterruhe vorgesehen hatte?
Hmh ....
Zur ersten Frage: ich weiß es nicht – diejenigen, die den Winter in der Erlenbachaue verbrachten, haben nie darüber berichtet.
Zur zweiten Frage: wer weiß, vielleicht gibt es da ja noch Stoff für weitere Geschichten. ;-)

E   N   D   E





Für die Zeichnung danke ich sehr herzlich Hanne H.
Um das Bild vergrößert zu sehen, klicken Sie es einfach an.

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