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Tolleranz

Für Menschen, die sich an Sprachlichem erfreuen können, ist das Herkunftswörterbuch des Dudenverlages eine wahre Fundgrube. Ich gestehe, dass ich es liebe, in ihm zu stöbern und dabei auf erstaunliche Dinge zu stossen. So finden sich jede Menge Beispiele für den Bedeutungswandel, dem manche Worte unterworfen werden.
Neulich habe ich mich mit dem Wort Toleranz befaßt. Die Dudenredaktion erklärt dazu, dass es aus dem lateinischen "tolerantia" entstanden sei und mittlerweile für "Duldsamkeit" stehe oder auch eine großzügige Geisteshaltung bezeichne.

Eine schöne Erklärung - aber trifft sie auch zu? Woher meine Zweifel stammten, konnte ich zunächst nicht benennen. Sie waren jedenfalls da und ließen mir keine Ruhe mehr. Vielleicht gab es ja noch eine andere Deutungsmöglichkeit. Und so machte ich mich auf die Suche.
Gleich zu Beginn stach mir die Schreibweise des Wortes ins Auge: Toleranz. Hmh ... To.. le..ranz ... wer spricht das Wort denn wirklich mit gedehntem o und e aus? Wird es im täglichen Gebrauch nicht eher ausgesprochen, als müßte es mit doppeltem l geschrieben werden? Vielleicht war dies ja ein wertvoller Hinweis für meine Bedeutungssuche. Vielleicht geht das Wort ja auf zwei Stämme zurück: "Tolle" und "Ranz".
Mal sehen, was der Duden dazu meint.
Meine Befürchtung, bei "Tolle" lediglich auf eine bestimmte Art, die Haarlocken zu legen, hingewiesen zu werden, war unbegründet. Wußten Sie, dass "Tolle" aus dem Westgermanischen stammt und ursprünglich für "stumpf, unempfindlich" stand? Im Sinne von "getrübt, umnebelt, verwirrt" gehöre es zur Wortgruppe "Dunst". Verwandte Worte anderer Sprachen seien das gotische "dwals" (einfältig, töricht), das lettische "duls" (betrübt, dunkel) und das altirische "dall" (blind).

Hoch interessant - nicht wahr? Und wie erstaunt war ich, als dann auch noch ein Hinweis auf das griechische Wort "tholerós" (trübe, verwirrt) auftauchte. Möglicherweise hat dieses Wort ja für die bei uns inzwischen eingebürgerte Schreibweise "Toleranz" Pate gestanden.

Doch nun zum zweiten Teil des Wortes - "Ranz".
Die Etymologen liefern hierfür zwei mögliche Entstehungstheorien. Eine davon führt "Ranz" auf "ranzig" zurück, was "durch Zersetzung verdorben, stinkend" heiße.
Die zweite geht davon aus, dass "Ranz" eine jener - aus Sprechfaulheit, Nachlässigkeit und Eile geborenen - Verkürzungen ist, bei denen die Endung einfach unterschlagen wird. "Ranz" sei nichts anderes, als die Verkürzung von "Ranzen". Dieses Wort wiederum sei die im 16. Jahrhundert entstandene sekundäre Bildung von "Ränzel" und bedeute: "Schultertasche". Jedoch wurde "Ranzen" auch - und das ist der entscheidende Punkt - umgangssprachlich für "Buckel" gebraucht.

Und da ist schon die Sinnverbindung von "Tolle" und "Ranz" in "Tolleranz" (wir sollten uns wieder an die richtige Schreibweise gewöhnen):
stumpfer Buckel - unempfindlicher Buckel - einfältiger, törichter Buckel.

Damit ist natürlich kein sichtbarer körperlicher Buckel gemeint, sondern - im übertragenen Sinne - ein seelischer.

Der Durchschnittsbürger hat sehr sensibel registriert, dass "Toleranz" als Tugend nicht sehr weit verbreitet ist und setzt dem die eigentlich richtige Aussprache gegenüber. Tolleranz. Nun wird auch jedem klar, warum Tolleranz nicht allzu häufig praktiziert wird. Wer schleppt schon gerne einen solchen dumpfen Buckel durch die Gegend?


(Möglicherweise völlig überflüssige Nachbemerkung: Vorsicht! Satire!)




Es scheint

"Es scheint zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch verfrüht, zu diesem schwierigen Problem die Einstellung des Bundesverbandes Deutscher Armleuchter in aller Offenheit ..."
"Es scheint, als habe die Regierung die Absicht, den unhaltbaren Zustand, der in keiner Weise den Erfordernissen der modernen globalisierten Wirtschaftsweise entspricht ..."

Im deutschen Medienwald scheint noch viel mehr, als nur die Sonne. Kein Kommentar, kein Korrespondent - und von denen findet sich an jeder Ecke einer - kommt ohne diese Worte aus. Warum? Weil sie unsicher sind und feige.

Unsicher? Niemand weiß konkrete Daten und so wird prophezeit, einfach darauflos. Ob's hinterher stimmt oder nicht oder ob jemals überhaupt Anhaltspunkte dafür vorgelegen haben, danach fragt kein Mensch - geschweige denn der Konsument dieser Weissagungen. Fragt doch mal einer, besteht die Antwort - wenn man Glück hat - aus einem bedauernden Achselzucken. Viel öfter aber aus dem lächelnden Hinweis, dass nichts so alt sei, wie die Zeitung von gestern. Es hat eben so geschienen als ob .... Zimt!

Feige? Wenn du über jemanden ein Gerücht in die Welt setzen willst, ohne dafür zur Verantwortung gezogen zu werden, so lasse es dir scheinen. Wenn du nicht den Mut besitzt, zu sagen: "Du bist ein Lump!" - dann lasse es dir scheinen.
Später kannst du dich getrost darauf berufen, dass du nur einen Eindruck hast wiedergeben wollen. Niemals hättest du mit Absolutheit behaupten wollen ....

Mir scheint, es scheint reichlich viel in Deutschland - bis auf die Sonne. Und für den Fall, dass sich jemand über diese Zeilen beschweren möchte: es hat mir eben so geschienen.




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